Wilfried Stigger, Altbürgermeister

Wilfried Stigger wurde am 29. Juli 1938 als Sohn der Johanna und des Peter Stigger in Haiming geboren. „Baders“-Wilfried - seine Mutter stammte aus dem Geschlecht des Haiminger Baders Josef Stocker (die Bader wirkten in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens, bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts lag fast die gesamte medizinische Versorgung in den Händen der Bader. Nur innere Krankheiten durften sie nicht behandeln; dafür waren die wenigen Doktoren der Medizin zuständig. In Haiming wirkte Josef Stocker bis Ende des 19. Jahrhunderts), zeigte bereits in der Schulzeit seine Talente.

Scharfer Verstand, rasche Auffassungsgabe und eine gehörige Portion an Durchsetzungsvermögen verschafften ihm bald Respekt und Anerkennung. Sein weiterer schulischer Weg führte ihn an die Handelsakademie. Nach der Matura schlug er die Beamtenlaufbahn ein und trotz bereits erfolgter Pragmatisierung folgte er dem Ruf vom damaligen Landesrat Eduard Wallnöfer, der ihn vom Arbeitsplatz in der Molkerei Imst an die Landwirtschaftliche Genossenschaft Imst lotste. Dort übernahm Wilfried Stigger am 1. Jänner 1963 die Geschäftsführung.

Foto rechts: Johanna Stigger mit ihrem Sohn Wilfried

1968 standen in Haiming Gemeinderatswahlen an – der einflussreiche Lokalpolitiker, Ortsbauernobmann und Gemeindevorstand Franz Götsch sah in der dynamischen Persönlichkeit von Wilfried Stigger jenen Mann, der Haiming in eine moderne und wirtschaftsstarke Zukunft führen kann. Stigger sagte zu und kandidierte aus taktischen Gründen hinter seinem Mentor Franz Götsch auf Platz 2 der Bauernliste. Die Spitzenkandidaten der anderen Listen waren Roman Kapeller (AAAB-Liste), Erich Auderer (FPÖ), Karl Larcher (SPÖ) und Adolf Auer (Gewerbliche Wirtschaft) – bei der Wahl am 31. März 1968 (gekoppelt hatte die Bauernliste mit dem ÖAAB und der gewerblichen Liste) erhielt die Bauernliste fünf Mandate, der AAAB drei, die FPÖ 1 Mandat, die SPÖ 4 und die Gewerbliche Wirtschaft 1 Mandat. Der Gemeinderat wählte am 20. April 1968 Wilfried Stigger zum Bürgermeister und Anton Raffl zum Bürgermeister-Stellvertreter. Im Gemeindevorstand waren Karl Larcher, Franz Götsch und Adolf Auer vertreten, als Gemeinderäte fungierten Alois Auderer, Hans Klinger, Johann Kößler, Christian Kopp, Roman Kapeller, Johann Kuprian, Max Wegleiter, Johann Zeni und Erich Auderer.

Im, unter seinem Vorgänger Karl Kapeller erbauten neuen Gemeindehaus, ging der junge Bürgermeister mit vollem Elan an die Verwirklichung der Pläne. Ein großes Anliegen war ihm die Verbesserung der Infrastruktur, um Haiming für mittelständische Unternehmen attraktiv zu machen. Im Schulwesen hielt er an der Linie seines Vorgängers fest: Die schulische Ausbildung der Haiminger Kinder muss in einem zeitgemäßen Rahmen erfolgen – so war es ihm ein großes Anliegen alle Schulen nach und nach zu renovieren und zu erweitern.

Auch im Straßenbau setzte er zukunftsweisende Akzente – die Fertigstellung der Straße über das Sattele nach Ochsengarten lag ihm sehr am Herzen, ebenso schuf er die budgetären Voraussetzungen für den sukzessiven Ausbau des Ortsstraßennetzes und der Güterwege. Unter seiner Ägide erfolgte auch die Sicherung der Trinkwasserversorgung und die Fortführung der Kanalisierung.

Sein Verhandlungsgeschick brachte er auch bei mehreren Großprojekten ein, so beim Kraftwerk Sellrain-Silz, beim Autobahnbau und dem zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke bis Ötztal-Bahnhof. Im ganzen Land war der Haiminger Bürgermeister ob seiner Qualitäten als knallharter Verhandler gefürchtet, aber auch geschätzt.

Stigger schaute penibel auf die Gemeindefinanzen, galt es doch der großen Gemeinde mit den weit verstreuten Ortsteilen die bestmögliche Infrastruktur zu gewährleisten: Vier Kindergärten, vier Friedhöfe, vier Leichenkapellen, die Kirchen und Kapellen, dazu die Schulen und Feuerwehren – da galt es laufend Geld in die Hand zu nehmen. Auch das Vereinswesen musste subventioniert werden.

Bild links: Diamantene Hochzeit von Schilcher Frieda und Franz im Jahr 1990; links Bürgermeister Wilfried Stigger, rechts der damalige Bezirkshauptmann Walter Haid

Die Arbeit in der Gemeindestube fiel ihm nicht schwer, mit einem guten Team im Rücken schuf er sich Freiräume für politische Entscheidungen. Parteipolitik war nicht seine Sache, mit der ÖVP-Landesspitze trug der starke Haiminger Gemeindechef so manchen Diskurs aus. In den Gemeinderatssitzungen ging es mitunter recht unterhaltsam zu – die Mandatare schenkten sich bei besonders brisanten Themen nichts – es wurde auch ordentlich gestritten, was die Akteure aber nicht daran hinderte, im Anschluss an die Sitzung auf ein Bier oder eine Halbe Wein zu gehen – viele der Entscheidungen wurden am Wirtshaustisch nachbesprochen, besonders harte Wortmeldungen relativiert.

Bild rechts: Altbürgermeister Wilfried Stigger in seinem Arbeitszimmer im Gemeindeamt, aufgenommen am 24. Juni 1988

Wilfried Stigger war kein großer Fan der Medien, davon können die damaligen Haiminger „ungelernte Zeitungsschmierer“ – so hat Wilfried uns einmal während einer Sitzung bezeichnet – Meinhard Eiter, Peter Leitner und Manfred Wegleiter ein Lied singen. Trotzdem begegnete man sich immer auf Augenhöhe, es war mehr ein sportlicher Wettkampf als ein Streit.

Angesprochen auf eine Leistung, auf die er besonders stolz ist, antwortete er: „Das war sicherlich die Umsetzung des Lebenshilfeprojektes in Ötztal-Bahnhof“. Stolz war Wilfried aber auch auf „sein“ Waldschwimmbad, in den Sommermonaten verging wohl kein Tag, an dem er nicht im Schwimmbad auftauchte und nach dem Rechten sah, an den Wochenenden war er mit seiner Familie ein Dauergast. Eine intensive Beziehung verband ihn auch zum Obstbau – ohne seine starke Stimme und Unterstützung wäre die Abhaltung der Haiminger Markttage nicht möglich gewesen.

24 Jahre lang stand Wilfried Stigger der Gemeinde Haiming als Bürgermeister vor. Im Jahre 1992 verlor er bei seinem neuerlichen Antreten (erstmals wurde der Bürgermeister in einer Direktwahl ermittelt) gegen seinen Mitbewerber Josef Leitner. Obwohl ihm die Niederlage schmerzte, sah er darin auch ihre Sinnhaftigkeit – endlich konnte er sich in vermehrtem Ausmaß seiner Familie und den Hobbies widmen.

Leider konnte der Architekt der Wirtschaftsgemeinde Haiming seinen Ruhestand nicht lange genießen. Wilfried Stigger erkrankte und starb nach langem Leiden am 8. Jänner 1998.

Foto rechts: Nikolaus Hrtschar und Wilfried Stigger bei einem "Lagertreffen" am 15. Oktober 1988

Text: Manfred Wegleiter, Ortschronist

Im Dorfblattl Haiming erschien im August 1993 ein Portrait über den Langzeitbürgermeister, das Sie hier als PDF nachlesen können.