Die Eisenbahn von Innsbruck nach Vorarlberg

Neue Mobilität bringt viele Veränderungen

 

Am 1. Juli 1883 fuhr die erste Eisenbahn auf der Strecke von Innsbruck nach Landeck. Die Eisenbahnverbindung stellte nicht nur eine verkehrstechnische Revolution dar, sondern gilt auch als Initialzündung für die Entstehung des Ortsteils Ötztal-Bahnhof.

 

1880 wurde mit dem Bau der Arlbergbahn von Innsbruck nach Bludenz begonnen. Nur vier Jahre später – am 21. September 1884 – wurde die gesamte Strecke offiziell dem Betrieb übergeben. Bedeutendes Kernstück der Strecke war der Arlbergtunnel, der damals mit einer Länge von mehr als 10 Kilometern die größte Baustelle der österreichisch-ungarischen Monarchie war (und in weiser Voraussicht bereits zweigleisig ausgelegt). Mit der Arlbergstrecke rückte das bisher relativ abgeschiedene Vorarlberg näher an die anderen österreichischen Länder heran, was den Waren- und Personenverkehr zwischen Ost und West erleichterte. Auch in Bezug auf den Fremdenverkehr erwartete man sich eine Steigerung, wenn das Tiroler Oberland durch die Arlbergbahn zu einer „Art Fortsetzung der Schweiz“ werden würde.

 

Der Abschnitt zwischen Silz und Landeck stellte wegen der Enge des Tales eine große Herausforderung dar. Umfangreiche Felsabtragungen, Steinschlichtungen und Uferschutzbauten zum Inn hin mussten errichtet werden. Die Ötztaler Ache wurde mit einer insgesamt 116 Meter langen Brücke – 18 Meter über dem Wasserstand – überspannt. Die Achbrücke war eine Fachwerkskon- struktion und galt mit dem wunderbaren Ausblick ins Ötztal und den Acherkogel als eines der beeindruckendsten Bauwerke der Talstrecke (siehe Foto dazu auf Seite 70 dieses Buches).

 

Trotz der technischen Herausforderungen konnte die Teilstrecke von Innsbruck nach Landeck bereits 1883 in Betrieb gehen und die „Station Oetzthal“, wie der vorerst einzige Bahnhof auf Haiminger Gemeindegrund zu Beginn hieß, wurde eröffnet.

 

Ein neuer Ortsteil entsteht

 

 

Für Haiming hatte der Bau der Arlbergbahn besondere Bedeutung, da mit der „Station Oetzthal“ (Lage bei km 45,55 bis km 46,06) nicht nur ein Bahnhof auf Gemeindegebiet entstand, sondern sich daraus im Laufe der Zeit ein bedeutender Ortsteil entwickelte. Im November 1881 begannen die Arbeiten an der Strecke Innsbruck-Landeck. Dazu kamen auch 81 italienische („welsche“) Bauarbeiter nach Haiming. Die sollen so verwegen ausgesehen haben, dass man sich in Haiming entschloss, nachts Wachen aufzustellen.

 

Am 1. Juli 1883 wurde die Teilstrecke Innsbruck – Landeck eröffnet. Noch am Tag zuvor hatte man – vermutlich auch mit etwas Wehmut – den letzten Eilwagen der Post verabschiedet, der gewissermaßen ein Opfer der „Verkehrsrevolution“ Eisenbahn war. Die Stationen waren feierlich geschmückt, viele Leute bestaunten das für die allermeisten vollkommen neue Schauspiel der Eisenbahn. Zur Eröffnung der Station Oetzthal waren nicht nur die Haiminger Musikanten aufmarschiert, sondern auch eine Delegation der Gemeinden aus dem Ötztal. Die Eisenbahn wurde gleich am Tag der Eröffnung von der Bevölkerung fleißig genutzt, so sind am 1. Juli 1883 am Bahnhof in Innsbruck 2.036 Fahrkarten für die erste Fahrt ausgegeben worden!

 

Am 20. September 1884 wurde schließlich die gesamte Strecke Innsbruck – Bludenz von Kaiser Franz Joseph I. eingeweiht. Er bereiste die Strecke samt Hofstaat mit einem Sonderzug und wurde in vielen Orten feierlich begrüßt, so auch in der Station Oetzthal von der Musikkapelle Haiming.

 

Die Station Oetzthal – der Bahnhof wie er heute noch besteht – wurde in den höchsten Tönen gelobt. Elegant und fast schon luxuriös mit Toilettezimmern, Wartesälen für die verschiedenen Klassen, Holzvertäfelung und Parkettböden ausgestattet, war der Bahnhof damals topmodern. Am Bahnhof wurden ein Vorstand, ein Aufseher und ein Stationsdiener angestellt. Diese wurden direkt im Bahnhofsgebäude untergebracht. Auch ihre Wohnungen waren für damalige Verhältnisse modern und großzügig. „Die Herren Bahnbeamten sind um ihre Wohnung geradezu zu beneiden. Zur Winterszeit in strengem Dienst da draußen zu sein, weltverlassen, wie am Ötztaler Bahnhof, ist freilich nicht das schönste Los. Dafür muss eben ein schönes Heim entschädigen.“ (Innsbrucker Nachrichten, Nr. 137, 18. Juni 1883, S. 2547)

 

Daneben glich das Hotel Sterzinger (der spätere „Ötztalerhof“), das ebenfalls bereits im Jahr 1883 errichtet wurde, mehr einer zweckdienlichen Baracke, um weiterreisende Gäste unterzubringen. Aber bereits im Frühjahr 1884 wurde das Hotel durch einen Neubau ersetzt. Unternehmerisch denkende Leute ließen sich eben bereits damals nicht die Gelegenheit nehmen, die (touristischen) Möglichkeiten der neuen Bahnlinie auszunützen.

Anbindung ans schon damals bekannte Ötztal

 

Seite Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich der Alpinismus entwickelt und auch immer mehr Menschen ins Ötztal gelockt. Darunter befanden sich nicht nur Erholungssuchende und Bergsteiger, sondern auch so manche Naturwissenschaftler, die sich mit der einzigartigen hochalpinen Landschaft, dem Klima, den Gletschern und den gefürchteten Eisseen beschäftigten. Um all diese Gäste auch beherbergen zu können, mussten die umtriebigen Ötztaler ihre Infrastruktur verbessern – Beherbergung, Gastronomie etc. wurden im Laufe der Zeit ausgebaut. Und mit der Arlbergbahn und insbesondere der Station Oetzthal verbesserte sich auch die Anreise bzw. Anbindung, auch wenn die weitere Fahrt ins Ötztal (bis Sölden) mit dem Stellwagen zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer noch sechs (!) Stunden dauerte…Erst mit dem ersten Postbus, der ab 1926 fuhr, verkürzte sich die Fahrt auf 2 Stunden.

 

„Nur keine Haltestelle…“

…sollen die Haiminger Bauern angeblich gefleht haben, als die Bahn gebaut wurde. Bevor es die Eisenbahn gab, fuhren die Leute mit einem Stellwagen nach Innsbruck. Dieser fuhr um 8 Uhr morgens in Haiming ab und traf um 3 Uhr nachmittags (!) in Innsbruck ein. Die Kosten dafür waren relativ hoch: 3 Gulden für die Hinreise, hin und retour hatten die Leute also 6 Gulden zu bezahlen, was damals immerhin dem Wochenlohn eines Handwerkers entsprach!

 

Der Bahnbau brachte nicht nur durch die italienischen Bauarbeiter einige Aufregung ins Dorf. Angeblich befürchteten die Haiminger Gemeindeväter, dass die Leute unnötig ihr Geld „verfahren“ würden, weshalb sie sich gegen eine Haltestelle im Dorf aussprachen. Deshalb gab es zunächst auch im Dorf selbst keine Haltestelle. Wenige Monate nach der Eröffnung der Station Oetzthal erhielt aber auch Haiming Dorf im Frühjahr 1884 eine Haltestelle.

 

Fahrpreise für die Eisenbahn

1883 Von Innsbruck bis zur Station Oetzthal (einfache Fahrt) betrug der Fahrpreis im Jahr 1883: 95 Kronen. Für die Hin- und Rückreise mussten 1 Gulden und 45 Kronen bezahlt werden. Auch für damalige Zeiten sicher nicht wenig Geld, aber um einiges günstiger als die Fahrt mit dem Stellwagen. Der Preis verstand sich für die 3. Wagenklasse, wer angenehmer reisen wollte, musste für die 2. Klasse das 1 ½ fache und für die 1. Klasse das Doppelte bezahlten.

Ablösen für Haiming

 

Für den Bau der Arlbergbahn mussten in Haiming von 126 Eigentümer/innen, darunter auch die Gemeinde, Grundparzellen abgelöst werden. 1881 wurden sie aufgefordert, ihre Ansprüche bei Gericht geltend zu machen. Betroffene Flächen waren davon in erster Linie Wald, Ackerflächen und Wiesen, aber auch Wege.