Die Flurnamen von Haiming

Orientierungshilfe seit vielen Generationen

 
„Flurnamen“ bezeichnen einen kleinräumigen Teil der Landschaft, eine sogenannte Flur. Sie tragen zur Orientierung und Identifizierung bei und sind in Tirol seit mehr als 2.000 Jahren in Gebrauch. Für Haiming wurden im Zuge der Flurnamenerhebung 342 Flurnamen erfasst.

 

 

Erhebung der Flurnamen in Haiming

Die Erhebung der Flurnamen in Haiming - wie auch in einigen anderen Gemeinden - erfolgte etappenweise. Erstmals haben sich in den 1980er Jahren der damalige Chronist Karl Hofer, Waldaufseher Franz Götsch und dessen Nachfolger Werner Raffl um die Aufzeichnung unserer Flurnamen bemüht. Später wurde das Projekt neu aufgestellt, vor allem die Digitalisierungswelle erforderte in technischer Hinsicht einige Abänderungen. Hier war die seinerzeitige Chronistin Hedy Haslwanter mit Unterstützung bewanderter Haiminger federführend. Schluss- endlich wurden die Flurnamen auch „vertont“ und von Chronist Manfred Wegleiter auf Band gesprochen.

 

Im Zuge der Flurnamenerhebung Tirols wurden für Haiming 342 Flurnamen erfasst und mit exakten GPS-Koordinaten versehen. Unter den Haiminger Flurnamen finden sich einige, die wohl den meisten Haimingerinnen und Haimingern geläufig sind, wie z. B. Amberg, Boyen, Umhohler, Untere Gmua oder Forchet. Andere, mit durchaus ungewöhnlichen Namen, sind wohl weniger bekannt, wie z. B. Fotzekarleger, Gschrapp, Guglmondgraben, Hoachleitemähder, Knospenplattele oder Marendschattenriese. Die Benennungsmotive sind jedenfalls vielfältig und sagen einiges über die Ortsgeschichte aus.

 

Erklärungen für einige Flurnamen in Haiming

Einige Flurnamen erklären sich gewissermaßen von selbst, wie z. B. „Broat Muare“ für Breite Mure, „Forchet“ (abgeleitet von Föhren), „Larchet“ (abgeleitet von Lärchen), Wald, Weißwand oder Weißes Haus. Bei der Galgenmure soll es zu früheren Zeiten tatsächlich einen Galgen gegeben haben. Bei anderen Flurnamen ist die Herkunft dagegen nicht so eindeutig. Zu einigen gibt es überlieferte Geschichten und auch Sagen, die auf den möglichen Ursprung des Namens hindeuten. Hier ein Auszug zu diesen:

 

Magerbach

Am Tschirgant und Simmering gibt es bekanntlich kaum Quellen. Nach alter Überlieferung soll es auf der gesamten Strecke von Karres bis Mötz nur einen winzigen Bach gegeben haben, der vom sogenannten „quellenlosen Simmering“ kam. Wegen der Wasserarmut des Bächleins gab ihm der Volksmund den Namen „das magere Bächlein“ – davon soll sich der Name „Magerbach“ ableiten. Das kleine Bächlein soll ursprünglich der Bewässerung der Felder am linken Innufer gedient haben.

 

Bärenfalle

Um den Flurnamen „Bärenfalle“ (bei Ochsengarten) rankt sich eine alte Sage. Ein Bauer soll auf dem Heimweg von Silz über das Sattele gekommen sein, als er bemerkte, dass er von einem Bären verfolgt wurde. Notgedrungen kletterte er auf einen Baum – direkt über einem Felsen. Als der Bär nicht von seinem Vorhaben abließ, ergriff der Bauer eine List. Er täuschte den Bären und warf seine Jacke über den Felsen. Das Manöver gelang, der Bär schnappte nach der vermutlichen Beute und stürzte über den Felsen. Seither soll der genannte Felsen eben „Bärenfalle“ heißen.

 

Das Brotkastl

Eine weitere Sage aus Ochsengarten liefert eine Erklärung für den Flurnamen „Brotkastl“. Einst soll der gesamte Grund einem ledigen Bauern gehört haben. Er war zwar wohlhabend, aber auch geizig. Nicht einmal sich selbst gönnte er ein Stück Brot, obwohl er reichlich hatte. Er ließ sich einen riesigen Kasten anfertigen, in dem er das getrocknete Brot aufbewahrte. Um nichts davon teilen zu müssen, vergrub er eines Nachts den Brotkasten. Allerdings hatte er darauf vergessen, dass zur „Geisterstunde“ (zwischen Mitternacht und 1 Uhr) arme Seelen und selbst der „Leibhaftige“ umherirrten, um neue Anwärter für die Hölle zu holen. Jedenfalls soll der geizige Bauer nie mehr lebend gesehen worden sein. Der Name Brotkastl blieb aber zunächst im Volksmund und später auch in den Flurnamen erhalten.


Immaterielles Kulturerbe

 

Flurnamen in Tirol dienen seit mehr als 2.000 Jahren als Orientierungshilfe. Über Jahrhunderte waren die Flurnamen in alten Karten und Verzeichnissen niedergeschrieben oder wurden mündlich weitergegeben. Damit die Flurnamen nicht verloren gehen, wurden sie zwischen 2007 und 2017 für die Tiroler Gemeinden erhoben. In Zusammenarbeit mit Ortschronist/innen, Vereinen, lokalen Wissenträger/innen und wissenschaftlichen Einrichtungen konnten mehr als 100.000 Flurnamen in Tirol erfasst und kartographisch verortet werden. Die Flurnamen wurden 2018 in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.