30.08.2021 09:17

Friedhofskapelle Haiming

Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben sich in den Tiroler Landgemeinden die bis dahin vom religiösen Brauchtum getragenen Formen des Trauerns nachhaltig verändert. An Trost spendende Versehbräuche („Verseïchn“), an „´s Aubåhrn darhuam“, an die verschiedenen Arten des „Gloggn Leitns“ und an die bis in kleinste Detail festgelegte Begräbnisordnung werden sich Ältere noch mit leichter Wehmut erinnern. „Leistungen“, die nunmehr von Bestattungsunternehmen „in Paketen“ angeboten werden, wurden früher von Großfamilien mit tatkräftiger Unterstützung aus der Nachbarschaft erbracht. - Kurzum: Das Abschiednehmen von Verstorbenen ist einfacher, aber viel teurer geworden. Zweifellos wurde das Loslassen alter Trauerformen durch die Errichtung von „Aufbahrungshallen“ beschleunigt. In Haiming geschah dies mit der Adaptierung der Friedhofskapelle zur Totenkapelle. – Wie geschah das? Anno Domini 1803 errichteten „Guttäter“ an der Südwestecke des Friedhofs eine Kapelle. Deren Baukörper blieb im Wesentlichen erhalten; zu beklagen mag sein, dass die Nische an der Westfront, die eine „Mater-dolorsa-Skulptur“ zierte, zugemauert wurde. Im Bemühen, diesen Fehler wieder gut zu machen, brachte man an dieser Stelle ein einfaches Holzkreuz an.

An die Innenausstattung erinnern nur noch ein Vermerk des Denkmalamtes und im Tiroler Kunstkataster, wonach den Altar Skulpturen des hl. Antonius von Padua sowie der hl. Anna und des hl. Joachim zierten. Diese Kunstwerke aus der Werkstatt von Johann Reindl (1714-1792) waren wohl Geschenke des Stiftes Stams. Anna und Joachim genossen zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Eltern der Gottesmutter und als Großeltern Jesu tiefe Verehrung. Trauernde suchten bei diesen beliebten Schutzpatronen der Familien und Witwen Beistand und Trost. Der Kreuzweg war den Gläubigen ein Führer zur Innerlichkeit; und: Gewonnene Ablässe wurden fürbittend den Verstorbenen zugewandt. Nach Herbert Zoller habe die Ausmalung sehr düster gewirkt, Gerlinde Kopp weiß, dass in dieser Kapelle bzw. im deren Giebelraum Bildtafeln, Stangen, bzw. Traggestelle, die bei Prozessionen verwendet, aufbewahrt wurden, ebenso Sargtücher bzw. Katafalkdecken. 1957 erforderte der starke Zuzug nach Haiming eine Erweiterung des Friedhofs um 300 m². Und nachdem 1970 in Ötztal Bahnhof der Waldfriedhof und eine neue Totenkapelle ihrer Bestimmung übergeben werden konnten, ging man auch in Haiming daran, „moderne Strukturen“ zu schaffen.

Bereits in den Monaten November/Dezember gelang es Bürgermeister Wilfried Stigger, alle Voraussetzungen für eine Renovierung mit dem Bundesdenkmalamt abzuklären. Architekt DI Josef Menardi zeichnete für die Planung verantwortlich, die Anton Pohl KG (Ötztal Bahnhof) für Management und Bauausführung. Der Altbau wurde vom Fundament auf saniert und um einen Anbau für die Aufbewahrung diverser Geräte sowie um eine WC-Anlage erweitert. Über die Fertigstellung konnte bereits im Jänner 1973 im Blickpunkt berichtet werden. Rückblickend ist noch anzumerken, dass bei der Umsetzung des Projektes auf ein respektvolles Nebeneinander von Tradition und Moderne geachtet wurde. Das zweijochige Tonnengewölbe wurde belassen, der Fußboden mit pflegeleichten Terracotta-Fließen ausgelegt. Die Decormalerei ist in Feng-Shui-Farbtönung dezent gehalten. Seit ca. 1977 erinnert ein Bronzerelief von Josef Bachlechner (1921-1979) die Betrachter an die Mahnung des Sehers aus der Offenbarung 22,12,13: „Siehe, ich komme bald, und mit mir bringe ich den Lohn, und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht. Ich bin das Alpha und das Omega, der erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. Neben dem „Lamm Gottes, welches der Welt Sünden hinweg nimmt“, mögen uns auch die sechs Kerzenhalter an der Apsiswand Zeichen der Hoffnung dafür sein, dass dereinst die von uns geleistete Arbeit und all die auf Erden erlittene Mühsal vor dem Throne des Allerhöchsten Anerkennung finden wird.

Quelle: Johann Zauner / Pfarrbrief – Heft 15 – Herbst 2018